Pacing und Leading

zu einer guten gesprächsatmosphäre beitragen

Was mache ich während eines Gespräches, wenn ich mein Gegenüber kaum kenne, aber gerne meinen Beitrag zu einer guten und konstruktiven Atmosphäre leisten will? Wie kann ich möglichst gut auf meinen Gesprächspartner eingehen, auch wenn ich nicht weiß, was er gerne mag oder welche Hobbies er pflegt? Was mache ich, wenn ich den Eindruck habe, dass wir aneinander vorbeireden? Oft bespreche ich mit Klienten, die zum Beispiel Mitarbeiter- oder Bewerbungsgespräche führen wollen, solche oder ähnliche Fragen. Ich will Ihnen im Folgenden Kommunikationstechniken vorstellen, deren Ziel es ist, Gemeinsamkeiten zu betonen und gegenseitiges Verständnis zu fördern. Hierbei greifen Sie einfach das auf, was Sie in einer Gesprächssituation wahrnehmen, und verwerten es sinnvoll für den Verlauf des gemeinsamen Austausches. 

wahrnehmung schulen

Eine wichtige Voraussetzung für zielführende Kommunikation ist es, die eigene Wahrnehmung zu schulen für das Ausdrucksverhalten unseres Gesprächspartners als Spiegel seiner inneren Prozesse, seiner Gedanken und Gefühle. Im NLP nennt man dies „kalibrieren“. Unser Gegenüber kann sich dabei non-verbal oder verbal ausdrücken. Wenn Sie sich kalibrieren, ist es wichtig, dass Sie stets bewusst unterscheiden zwischen dem, was Sie mit Ihren Sinnen wahrnehmen, und dem, wie Sie das Wahrgenommene interpretieren. 

non-verbales ausdrucksverhalten

Ihr Gesprächspartner offenbart seine Gedanken und Gefühle zum einen non-verbal über seine Physiologie. Achten Sie im Gespräch beispielsweise auf Stimme, Tonlage, Lautstärke oder Satzmelodie des Gesagten. Oder beobachten Sie Atmung, Mimik, Haltung, Gestik, Körperspannung. Was fällt Ihnen auf? Was passt zusammen und was nicht? Gibt es während des Gespräches eine Änderung in der Physiologie? Worauf könnten Sie das zurückführen?

verbales ausdrucksverhalten

Auch Form und Inhalt des Gesagten ermöglicht uns einen Zugang zu unserem Gesprächspartner. Gibt es bestimmte Schlüsselworte, die er gerne verwendet? Oder Auffälligkeiten im Satzbau? Die Sprache gibt uns auch Aufschluss darüber, über welche Sinneskanäle unser Gegenüber seine Umwelt wahrnimmt und das Wahrgenommene verarbeitet. Menschen können visuell, auditiv, kinästhetisch (auf Gefühlsebene), gustatorisch und olfaktorisch wahrnehmen. Grundsätzlich stehen ihnen dabei alle Sinneskanäle zur Verfügung, aber nicht selten gibt es Vorlieben. Achten Sie deshalb genau auf die Wortwahl. Spricht jemand davon, „eine gute Perspektive“ zu sehen? Beschreibt er „einen starken Druck“, den er verspürt? Oder „klingt etwas gut“ in seinen Ohren? Die Bevorzugung eines Sinneskanals kann dabei nicht nur personen- sondern auch themenabhängig sein. Ich selbst kann mich, wenn ich über Romane erzähle, häufig nicht mehr an Figuren und Namen erinnern, wohl aber sehr genau daran, wie ich mich beim Lesen gefühlt habe. Über viele Urlaube würde ich vorwiegend visuell, olfaktorisch und gustatorisch erzählen.

pacing

Wie können Sie nun das Wahrgenommene aufgreifen und im Sinne einer guten, vertrauensvollen Gesprächsführung nutzen? Indem Sie Ihr eigenes Ausdrucksverhalten (verbal und non-verbal) an das Ihres Gegenübers angleichen. Im englischen Sprachraum hat sich hierfür der Begriff „Pacing“ oder „pacen“ durchgesetzt, im Deutschen spricht man meistens vom „Spiegeln“. Achtung, der Begriff Spiegeln könnte hier in die Irre führen: Es geht keinesfalls darum, das Ausdrucksverhalten des anderen zu imitieren oder gar „nachzuäffen“. Es ist wichtig, das Wahrgenommene als Gesamteindruck aufzunehmen und auf eine Weise zu pacen, die einem selbst am besten entspricht und die man für angemessen hält. Nehme ich beispielsweise in der Physiologie des Gegenübers eine besondere Konzentration und eine gewisse Anspannung wahr, so kann ich diese durch eine gerade Körperhaltung, durch eine klare Gestik oder eine besondere Fokussierung in Worten und Gesten spiegeln.

 

In dem wir Pacing anwenden, machen wir uns etwas bewusst, dass wir in vielen Situationen bereits unbewusst tun, vor allem in vertrauter Umgebung und mit Personen, die uns gut bekannt und sympathisch sind. Wir lernen, es auch auf anspruchsvollere Gesprächssituationen anzuwenden. Gleichzeitig kann es uns helfen, wiederkehrende Konflikte mit uns vertrauten Personen zu beleuchten: Will meine Partnerin, dass ich ihr nicht immer nur Blumen mitbringe (visuelle Ansprache), sondern dass ich ihr öfter auch mal sage, dass ich sie liebe (auditive Ansprache) oder sie in den Arm nehme (kinästhetische Ansprache)?

Welche Aspekte des Ausdrucksverhaltens kann ich pacen? Hier einige Beispiele:

 

non-verbal (Physiologie)

  • Körperhaltung (Spannung, Kopfhaltung, Stand ...)
  • Körperbewegung (Tempo, Rhythmus, Intensität ...)
  • Mimik (Gesichtsausdruck, Blickrichtung, Augenkontakt ...)
  • Gestik (Haltung und Bewegung der Hände ...)
  • Atmung (Rhythmus, Bauchatmung, Brustatmung ...)
  • Stimme (Lautstärke, Tonhöhe, Modulation ...)
  • Energie (Gesamttempo des Gespräches, Energielevel ...)

verbal

  • Schlüsselworte (zentrale Begriffe, Lieblingsworte ...)
  • Satzbau (Aufbau, Länge, sonstige Auffälligkeiten ...)
  • Bevorzugte Sinneskanäle (visuell - auditiv - kinästhetisch - olfaktorisch - gustatorisch)

sonstige

  • Erwartungen (Länge des Gespräches, Gesprächsthemen, Tabus, Tiefgang ...)
  • Bedürfnisse (Anerkennung spenden, Distanz wahren ...)
  • Kleidung (leger, offiziell, originell ...)

leading

Haben Sie sich nicht nur zum Plaudern getroffen, wollen Sie dem Gespräch sicher irgendwann eine bestimmte Richtung zu geben oder es zu einem gewünschten Ziel hin führen. Würde ich als Coach meine Klienten immer nur spiegeln, könnten zuvor vereinbarte Ziele und Veränderungen nicht angemessen erreicht werden. Es gehört zu meinen Aufgaben, zum richtigen Zeitpunkt die Führung (das Leading) des Gespräches zu übernehmen.

 

Damit Leading gelingt, muss das Ziel bekannt sein. Sobald Sie eine gute Gesprächsatmosphäre hergestellt haben, verändern Sie leicht Ihre eigene Physiologie. Sie können zum Beispiel eine andere Körperhaltung einnehmen, den Klang oder die Lautstärke Ihrer Stimme verändern oder Ihre Mimik variieren. Dann bringen Sie Ihr Anliegen vor. Beobachten Sie genau, ob sich Ihr Gesprächspartner auf diese Veränderungen einlässt. Gleicht er nun seine Körperhaltung, Stimme, Mimik etc. ihrer an, so ist Ihr Leading geglückt. Tut er dies nicht, kehren Sie zunächst ins Pacing zurück und versuchen es später erneut.

 

Einige meiner Klienten fragen mich, ob das Leading nicht eine Art der subtilen Manipulation anderer Menschen darstelle. Auch Kritiker des NLP führen dies an. Dazu kann ich sagen, dass die Techniken des Pacing und Leading keine ureigene „Erfindung“ des NLP sind. Vielmehr gehören sie zur Arbeitsweise fast jedes Coaches und jeder Therapeutin. Entscheidend ist, ob das Ziel, das Sie mit diesem Handwerkszeug erreichen wollen, mit Ihrem Selbstverständnis als Gesprächspartner und mit Ihren Werten übereinstimmt. Mit einem Hammer kann ich ein Haus bauen oder es zerstören.

Viel Theorie? Im Folgenden habe ich für Sie einige Übungen zusammengestellt.

übungen zur Wahrnehmung

1. Übung: Analysieren Sie geschriebenes oder gesprochenes Wort auf die genannten Sinneskanäle. Zeitungsautoren werden darin ausgebildet, möglichst viele Sinneskanäle ihrer Leser anzusprechen. Was ist mit Büchern und anderen Texten, die Ihnen gut gefallen? Mögen Sie Gedichte? Welche Sinne werden in Johann Wolfgang von Goethes Gedicht „Ein gleiches“ angesprochen? Bitten Sie einen Freund, von seiner letzten Urlaubsreise zu berichten. Wie erinnert er sich daran?

2. Übung: Nehmen wir wieder den Freund und den Bericht aus seinem Urlaub: Geben Sie ihm Feedback auf seine Geschichte, unterhalten Sie sich mit ihm darüber und tun Sie dies, indem Sie sich seiner bevorzugten Sinneskanäle bedienen. Danach, wenn Sie wollen, weihen Sie ihn in ihr Experiment ein und führen das Gespräch weiter, indem Sie bewusst ganz andere Sinne bedienen. Beschreibt er den Duft des Meeres, so fragen Sie ihn danach, wie er sich in dem Moment gefühlt hat. Schildert er das Farbenspiel des Sonnenuntergangs, fragen Sie ihn nach den Geräuschen in seiner Umgebung. Was passiert? Wie empfindet Ihr Freund jeweils ihre Reaktion?

3. Übung: Schreiben Sie über ein Thema Ihrer Wahl und verwenden Sie möglichst ausschließlich Begriffe desselben Sinneskanals. Verwenden Sie eventuell einen, der Ihnen persönlich weniger komfortabel erscheint. Fällt es Ihnen normalerweise leicht, in Bildern und visuell orientierten Begriffen zu schreiben, nehmen Sie zur Abwechslung den kinästhetischen Kanal. Anschließend schreiben Sie den Text noch einmal neu und bemühen sich um höchste Flexibilität, indem Sie alle Sinnesmodalitäten gleichermaßen ansprechen. Brauchen Sie Anregungen? HIER finden Sie eine Liste mit Worten, die Sie verwenden können.

übungen zum Pacing und leading

1. Übung: Setzen Sie sich in ein Café oder an einen anderen Ort, an dem Sie die Menschen in Ihrer Umgebung diskret beobachten können. Achten Sie auf ihre Physiologie: Wie stehen sie zueinander? Haben sie ein gutes Verhältnis zueinander? Was nehmen Sie wahr und was könnte es bedeuten?

2. Übung: Suchen Sie sich einen Partner, am besten weihen Sie ihn in den Inhalt der Übung ein. Unterhalten Sie sich mit ihm über ein Thema Ihrer Wahl. Zunächst spiegeln Sie sein Ausdrucksverhalten. Irgendwann im Verlauf des Gespräches, ohne es anzukündigen, entscheiden Sie sich dazu, bewusst nicht mehr zu pacen. Sie wählen eine gegensätzliche Physiologie, sprechen ganz eindeutig ein anderes Sinnessystem an. Nach einiger Zeit tauschen Sie die Rollen. Anschließend geben Sie sich gegenseitig Feedback: War ein Unterschied zu merken? Wie wirkte das Verhalten Ihres Gesprächspartners jeweils auf Sie?