Resilienz

Innere Widerstandskraft entwickeln

„Ich wünschte, ich hätte ein dickeres Fell.“

„Können Sie mir dabei helfen, gelassener zu werden, auch wenn ich im Job gerade sehr unter Druck stehe?“

„Ich hätte gerne mehr Resilienz.“

Diese Aussagen höre ich oft. Aber was genau bedeutet Resilienz und was kann jeder von uns tun, wenn er oder sie sich gerade eigentlich nicht besonders resilient fühlt?

 

Die meisten von uns wünschen sich mehr Widerstandskraft. Im Job wirken Digitalisierung und Konkurrenzdruck auf unseren Arbeitsalltag ein. Umstrukturierungen, beschleunigte Abläufe, Erwartungen an ständige Erreichbarkeit und Weiterbildungsbereitschaft fordern uns heraus. Die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben verschwimmen und auch unsere Freizeit will optimal gestaltet sein. Hinzu kommen vielleicht private Krisen und Schicksalsschläge wie Trennungen, Arbeitslosigkeit oder Krankheit. Es wäre schön, hier einfach resilienter zu sein.

Resilienz ist erlernbar

Der Begriff Resilienz ist abgeleitet vom lateinischen Wort „resilire“ und bedeutet wörtlich übersetzt „zurückspringen, abprallen“. Resilienz beschreibt somit die Fähigkeit eines Menschen, mit Widrigkeiten und hohen Belastungen umzugehen, die eigenen Ressourcen zu nutzen und schwierige Situationen als Anlass für Entwicklung zu nutzen. Die Forschung hat gezeigt: Resilienz ist erlernbar! Sie entwickelt sich dadurch, dass wir uns flexibel den Herausforderungen in unserer Umwelt anpassen und aktiv auf sie einwirken. Resilienz ist somit ein stetiger Prozess und nicht ein Status, der uns vererbt wird oder den wir, einmal erreicht, für immer festhalten können.

Resilienz hat verschiedene Aspekte

Resilienz ist umfassendes Thema, und es wurden im Laufe der letzten 70 Jahre verschiedene Modelle zu unserer inneren Widerstandskraft entwickelt. Sie sollen verdeutlichen, welche Faktoren uns bei Stress unterstützen und zu psychischer Gesundheit in Krisen beitragen. Obwohl auf den ersten Blick unterschiedlich, beruhen die meisten Modelle auf drei grundlegenden Kategorien: Fähigkeiten in der Interaktion mit anderen Menschen, kognitive Fähigkeiten (wie z.B. die Kompetenz, Ziele zu verfolgen und Lösungen zu finden) sowie eine emotionale Stabilität.

 

Im Folgenden will ich Ihnen 10 Aspekte von Resilienz vorstellen:

1. Empathie

2. Soziale Unterstützung

3. Selbstwirksamkeits-Bewusstsein

4. Verantwortungsbereitschaft

5. Optimismus

6. Lösungsorientierung

7. Ursachenanalyse

8. Akzeptanz

9. Emotions-Steuerung

10. Impulskontrolle

Ich habe für Sie jeweils einige Fragen zur eigenen Reflexion hinzugefügt. Sie bieten einen ungefähren und auch veränderlichen Anhaltspunkt, der kein Coaching oder eine Psychotherapie ersetzt. Aber sie dienen Ihnen zu einer ersten eigenen Einschätzung. Sie dürfen gerne nach Beruf und Privatleben unterscheiden, nicht selten weichen hier die Ergebnisse voneinander ab.

1. Empathie

Unter Empathie verstehen wir die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, ihre Gefühle deuten zu können und sensibel mit ihnen umzugehen.

Reflexionsfragen

Fällt es mir schwer, mich für andere Menschen zu freuen?
Merke ich manchmal nicht oder erst spät, wenn ich jemanden verletzt oder vor den Kopf gestoßen habe?
Nehme ich mir die Zeit, um mich in andere Menschen einzufühlen?
Ist es mir manchmal ein Rätsel, warum sich andere Menschen auf eine bestimmte Art und Weise verhalten?

Trainingsfragen

In alltäglichen Situationen, zum Beispiel im Supermarkt oder im Café: Kann ich erkennen, wie sich die anderen Menschen gerade fühlen und was sie beschäftigt?
In Konfliktsituationen: Gelingt es mir, die Perspektive der anderen Person einzunehmen, ihre Bedürfnisse und ihre Absichten zu verstehen? 

2. Soziale Unterstützung

Menschen, die soziale Unterstützung im Fokus haben, bauen verlässliche Beziehungen auf und pflegen diese. Sie wissen, auf wessen Beratung sie in schwierigen Situationen bauen können.

Reflexionsfragen

Weiß ich, wen ich in bestimmten Situationen nach Hilfe fragen könnte?

Fühle ich mich öfter allein gelassen mit meinen Problemen?

Fällt es mir schwer, andere um Unterstützung zu bitten?

Mache ich Probleme oft mit mir selbst aus, obwohl ich weiß, dass das nicht unbedingt gut für mich ist?

Trainingsfragen

Wieviel Nähe und wieviel Distanz tun mir persönlich gut?

Wie zeige ich Wertschätzung? Wem sollte ich mehr Wertschätzung geben?

Auf welche Beziehungen blicke ich mit Dankbarkeit zurück?

Wo erfülle ich eher andere Erwartungen als meine eigenen? Wo sollte ich Grenzen setzen?

Welche Beziehungen tun mir gut und welche nicht?

Wie und bei welchen Gelegenheiten kann ich neue Menschen kennenlernen?

3. Selbstwirksamkeits-bewusstsein

Selbstwirksamkeits-Bewusstsein ist der Glaube an die eigenen Fähigkeiten und die Überzeugung, Probleme aus eigener Kraft bewältigen zu können. Resiliente Menschen verfolgen ihre Ziele mit der Zuversicht, sie auch erreichen zu können.

Reflexionsfragen

Fällt es mir schwer, an mich selbst zu glauben?

Zweifle ich schnell an mir selbst, wenn andere mich kritisieren?

Lasse ich mich durch Hindernisse von meinen Vorhaben abbringen?

Zweifle ich daran, dass ich herausfordernde Ziele erreichen oder schwierige Situationen meistern kann?

Trainingsfragen

Was sagt meine innere Stimme, wenn ich an mir selbst zweifle? Wie realistisch ist das, was sie sagt, tatsächlich?

In welchen vergangenen Situationen konnte ich meine eigene Kraft einsetzen und war stolz darauf?

Welche meiner Stärken haben mir früher geholfen, meine Ziele zu erreichen oder schwierige Situationen zu meistern?

4. Verantwortungsbereitschaft

Verantwortungsbereitschaft bedeutet die Fähigkeit, selbstbestimmt zu Handeln und für mögliche Konsequenzen einzustehen. Hierzu gehört auch, das eigene Leben nach persönlichen Vorstellungen und Werten zu gestalten.

Reflexionsfragen

Fällt es mir schwer, Fehler einzugestehen?

Lasse ich lieber andere (oder das Schicksal) für mich entscheiden?

Sehe ich die Gründe für meine Unzufriedenheit bei anderen?

In welchen Situationen oder bei welchen Menschen werde ich mit Erwartungen konfrontiert, die mich ärgerlich machen?

Fällt es mir schwer, zwischen eigenen Erwartungen und denen von anderen zu unterscheiden?

Trainingsfragen

Wo suche ich die Schuld bei anderen und begebe mich damit in eine Opferrolle? Wie könnte ich diese Situationen anders gestalten?

Mit welchen persönlichen Eigenheiten könnte ich anderen Schwierigkeiten bereiten? Wie könnte ich diese entschärfen?

Wo sollte ich Grenzen ziehen als Schutz vor Überverantwortung und Überlastung?

Wo sollte ich eine klare Position beziehen und die Verantwortung dafür übernehmen? Wo kann ich auch einmal die Lösungen anderer akzeptieren?

Wo kann ich Dinge, die in meiner Verantwortung liegen, aktiv beeinflussen?

5. Optimismus

Optimismus bedeutet die an der Realität orientierte Zuversicht, dass im Leben in der Regel mehr gute als schlechte Dinge passieren. Dies zeigt sich in einer positiven Einstellung hinsichtlich der eigenen Person oder den Verhältnissen, in denen man lebt. Optimismus bedeutet aber nicht, Probleme zu bagatellisieren. Vergleiche mit anderen können das Selbstwertgefühl und den Optimismus senken.

Reflexionsfragen

In welchen Lebensrollen fühle ich mich unzulänglich?

Welche Situationen nagen an meinem Selbstwertgefühl?

Welche Anforderungen machen mir so viel Druck, dass ich mein Selbstvertrauen verliere?

Wann vergleiche ich mich mit anderen in der Art, dass der Vergleich zu meinen Ungunsten ausfällt?

Was fühle und mache ich, wenn eine Sache nicht wie geplant verläuft?

Wie steuere ich meine Gedanken und Gefühle, wenn ein Vorhaben zu misslingen droht?

Was hilft mir, mich zu motivieren?

Was mache ich, um wieder in eine Verfassung der Zuversicht zu kommen?

Trainingsfragen

Was sind meine bisherigen Erfolge im Leben?

Womit bin ich zurzeit zufrieden?

Worauf bin ich stolz?

Wofür bin ich dankbar?

Was habe ich trotz aller Hindernisse geschafft?

Wo bin ich bereits angekommen, obwohl es mir niemand zugetraut hätte?

6. Lösungsorientierung

Lösungsorientierung beinhaltet die Überzeugung, dass grundsätzlich jedes Problem lösbar ist. Lösungsorientierte Menschen sind in der Lage, Herausforderungen kreativ und mit Freude anzugehen. Sie lassen sich auch von Hindernissen und Rückschlägen nicht entmutigen.

Reflexionsfragen

Lasse ich mich schnell entmutigen, wenn mir nicht sofort eine Lösung einfällt?

Ist es mir am liebsten, wenn mir jemand die Lösung für meine Probleme sagt?

Passieren mir immer wieder die gleichen Fehler?

Habe ich fast nie einen Plan B?

Lösen anstehende Veränderungen ein Unwohlsein in mir aus?

Trainingsfragen

Ist mein Ziel positiv formuliert – auf das bezogen, was ich erreichen will und nicht auf das, was ich nicht will?

Welche meiner Stärken kann ich nutzen, um mein Ziel zu erreichen? Wer kann mir helfen? Was würde XY (mein bester Freund, meine Mutter …) tun, um das Ziel zu erreichen?

Liegt die Umsetzung des Ziels im Rahmen meiner Möglichkeiten? Was kann ich selbst beeinflussen und was nicht?

Welche positiven Gründe habe ich, das Ziel zu erreichen? Was ist der Charme daran?

Ist mein Ziel messbar? Woran erkenne ich, dass ich es erreicht habe?

Hat mein Ziel eine angemessene Größe oder sind Zwischenziele sinnvoll?

Welche Konsequenzen hat es, wenn ich mein Ziel erreiche? Könnte jemand etwas dagegen haben oder mich dafür kritisieren? Was könnte schlimmstenfalls passieren?

Was könnte ein erster Schritt sein?

7. Ursachenanalyse

Unter Ursachenanalyse verstehen wir die Fähigkeit, Situationen logisch und sachlich zu analysieren und Probleme auf die tatsächlichen Ursachen zurückzuführen. Resiliente Menschen reflektieren ihr eigenes Verhalten und sind bereit, es möglicherweise zu verändern.

Reflexionsfragen

Tendiere ich dazu, Probleme und Konflikte zu verdrängen?

Nehme ich mir Zeit, um mich selbst zu reflektieren?

Suche ich den Fehler meistens bei mir?

Fällt es mir schwer, in schwierigen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren?

Trainingsfragen

Sorge ich mich? Ärgere ich mich? Oder liegt mein Fokus auf der Problemlösung?

Bei einem Problem fünfmal „warum“ fragen. Beispiel: „Warum gelingt es mir nicht, mein Onlinemarketingprojekt anzugehen?“ „Weil ich keine Zeit dafür finde.“ Warum? „Weil ich zu viele andere Projekte habe.“ Warum? „Weil ich nicht gut ablehnen kann.“ Warum? „Weil ich nicht weiß, welche Prioritäten ich habe.“ Warum? „Weil ich zunächst mein Ziel klar definieren muss.“

8. Akzeptanz

Akzeptanz bedeutet die Fähigkeit, unveränderbare Dinge zu akzeptieren, mit vergangenen Entscheidungen und Ereignissen im Reinen zu sein und sich gleichzeitig auf das zu konzentrieren, was sich beeinflussen lässt.

Reflexionsfragen

Fällt es mir schwer, unveränderliche Dinge zu akzeptieren?

Denke ich oft daran, was ich anders hätte machen können?

Fällt es mir schwer, Dinge zu akzeptieren, für die ich kein Verständnis habe?

Gibt es Ziele, die ich um jeden Preis erreichen will, sodass ich nichts anderes zu schätzen weiß?

Schwelge ich manchmal in den Dingen, die mir nicht gelungen sind?

Versage ich mir freudige Dinge, solange ein bestimmtes Problem nicht gelöst ist?

Neige ich dazu, mir Illusionen zu machen?

Trainingsfragen

Wo habe ich in der Rückschau schon einmal festgestellt, dass ein negatives Ereignis auch positive Aspekte hatte?

Wo bin ich an einer Herausforderung gereift?

Wofür bin ich heute dankbar?

Realitätsprüfung: Was sind die Fakten? Was kann ich beeinflussen? Was meinen die anderen dazu? Wie kann mein Beitrag aussehen?

Welche Werte verfolge ich, wenn ich enttäuscht bin?

9. Emotions-Steuerung

Emotions-Steuerung beschreibt die Fähigkeit, Emotionen bewusst in eine gewünschte Richtung zu lenken. Resiliente Menschen können Misserfolge konstruktiv bewältigen und positives Feedback annehmen.

Reflexionsfragen

Fühle ich mich durch starke Emotionen blockiert?

Fühle ich mich durch Ängste, Sorgen oder Befürchtungen schnell entmutigt?

Weiß ich, wie ich meine Stimmung verbessern kann, wenn ich frustriert bin?

Mache ich manchmal Dinge, die ich später bereue, nur um mich besser zu fühlen?

Trainingsfragen

Kenne ich jemanden, der sich scheinbar nie aus der Ruhe bringen lässt und sich auch von heftigen Reaktionen seiner Mitmenschen nicht aus dem emotionalen Gleichgewicht schubsen lässt? Wie kann er oder sie mein Vorbild sein?

Wie kann ich meine Gedankenspiralen stoppen? (Manchmal hilft es, sich vorzustellen, dass die eigenen Gedanken wie Züge sind, die in einem Bahnhof ankommen und auch ohne unser Zutun wieder weiterfahren.)

10. Impulskontrolle

Resiliente Menschen sind in der Lage, erste Impulse und reflexartige Handlungen zu hinterfragen und sich auch in schwierigen Situationen zu beherrschen.

Reflexionsfragen

Reagiere ich oft impulsiv und energisch?

Handle ich häufiger, ohne vorher lange nachzudenken?

Fällt es mir schwer, meinen Ärger zurückzuhalten, wenn mich etwas aufregt?

Kippt meine Stimmung kippt schnell, manchmal auch ohne einen triftigen Grund?

Trainingsfragen

Angenommen, meine Gefühle sind wie eine Ampel: Stehen sie im Moment auf Grün, auf Gelb oder schon auf Rot? (Wenn sie auf Gelb stehen: innerlich von fünf runterzählen.)

Angenommen, ich würde die Situation gerade von außen beobachten wie ein Regisseur bei einem Theaterstück. Wie würde ich die Situation wahrnehmen und bewerten?